auch der folgende Bericht wurde von uns für
die SFB-Sendung "Steckdose: Computermusik - Musikcomputer" geschrieben.
Redakteur und Hauptmacher der Sendung war Wolfgang Layer.
Einen neuen 6-stimmig polyphonen Synthesizer präsentierte die renommierte Firma Roland bei der diesjährigen Musikmesse in Frankfurt. Der erste, unter Messebedingungen flüchtige EIndruck war nicht besonders gut. Es schien sich lediglich um ein weiteres, leuchtdiodengespicktes Polykeyboard bereits bekannter Machart zu handeln. Abschreckend war auch, daß das Instrument mit ca. 6000.- DM mehr kosten sollte als die scheinbar in der gleichen Klasse zu findenden Juno 60, ebenfalls von Roland, der Polysix von Korg und der Poly 61, eine abgespeckte Version des Prophet 600 von Sequential Cirquits. Mittlerweile ist der Jupiter 6 im Handel erhältlich und der Music-Market in Berlin stellte uns freundlicherweise eines der Geräte zum Test zur Verfügung. Die Geräteserie der Firma Roland ist ja schon von den Modellen Jupiter-4 und Jupiter-8 her bekannt. Es handelt sich in beiden Fällen um technologisch hochwertige und wohldurchdachte Synthesizer - kommen wir zum Test:
Der Jupiter 6 besteht aus zwei wesentlichen Funktionsbereichen, einer umfangreichen Synthesizereinheit und einer hochentwickelten Programmier- und Steuerlogik, die auch einen Arpeggiator beinhaltet. Diverse Funktionen beider Bereiche können darüber hinaus mit Fußreglern und Fußschaltern beeinflußt werden. Natürlich fehlt auch der MIDI-Anschluß nicht, der inzwischen zur Standardausstattung eines jeden großen Synthesizers gehört. Die Funktionen im einzelnen, zuerst der Synthesebereich zu dem auch die neben der Tastatur plazierten Spielhilfen zu zählen sind:
Im Gegensatz zu den meisten, eingangs
erwähnten Modellen verfügt der Jupiter-6 über zwei völlig
unabhängige Oszillatoren, VCO's, deren jeweils vier Wellenformen auch gleichzeitig
zur Erzeugung weiterer Basiswellenformen benutzt werden können. Also nicht
nur entweder Rechteck ODER Dreieck, sondern z.B. Rechteck UND Dreieck UND Sägezahn.
Die Stimmung der VCO's wird nicht wie üblich über einen Oktavschalter
vorgewählt sondern mit einem sinnreichen, quantiziertem Regler, der Vorteile
von üblichen Schaltern und Grobreglern in einem vereinigt. Der VCO-2 kann
in einen beliebigen Intervall zum VCO-1 gesetzt werden. Der Frequenzbereich
der Generatoren ist sehr weit ausgelegt, mit dem VCO-2 sind sogar Frequenzen
unterhalb bzw. oberhalb des Hörbereiches möglich, eine Einrichtung
deren Sinn deutlich wird wenn später die Modulationseinheit besprochen
wird. Auf ein weißes Rauschen braucht man beim Jupiter 6 ebenfalls nicht
zu verzichten.
Zur klanglichen Bearbeitung
der Signale wird nun an einem etwas spartanischem Mixer, genauer gesagt handelt
es sich nur um einen Balance-Regler die Signalmischung eingestellt, die dann
im VCF landet: Dieser Filter ist eine der erfreulichsten Neuerungen des Jupiter
6, denn erstmals hat man sich bei der Firma Roland durchgerungen, zusätzlich
zu dem notwendigen Tiefpaß auch einen spannungssteuerbaren Hochpaßfilter
anzubieten, der obendrein äußerst präzise arbeitet. Diese beiden
Filter lassen sich dann auch zur Bandpaßfilterung einsetzen. Damit verfügt
der "Jupi" als eines der wenigen Geräte in diesem, sicher nicht spärlich
besiedelten Marktsektor umfangreiche Filtermöglichkeiten auf die in höheren
Preisgruppen leider zu oft verzichtet werden muß. Die sehr feine
digitale Abstufung der Reglerfunktionen macht sich besonders bei hoher Resonanz
auffällig gut. Nachteilig fiel auf, daß die Oszillatoren nicht
abgeschaltet (beide Volumen = 0) werden können. Dies soll wahrscheinlich
überdecken, daß der Filter ohne Eingangssignal nicht zur Eigenschwingung
in der Lage ist. Dieser Makel ist zwar angesichts der hohen Qualität der
anderen Funktionen entschuldbar aber dennoch unverständlich.
Als Steuerelemente
stehen einem beim Jupiter 6 endlich einmal auch 2 Hüllkurvengeneratoren
zur Verfügung, dazu noch ein LFO inklusive einer Randomfunktion für
Sample & Hold - Effekte. Eine erstaunliche, neue Idee wurde zu den normalen
ADSR - Funktionen hinzugefügt, das sogenannte Keyboard-Follow: Dieser voll
regelbare Effekt verändert die Release-Zeit in Abhängigkeit von der
Keyboard-CV, d.h. Je höher diese CV wird, desto kürzer wird die Ausklingzeit
der gesteuerten ADSR's. Damit lassen sich leichter Klangverläufe realisieren
wie man sie z.B. vom Klavier her kennt: Hohe Töne - kurze Ausklingzeit
und umgekehrt.
Der Spielhilfenbereich
neben dem Keyboard bietet neben dem von anderen Rolandgeräten bekannten
Bender. Getrennt einstellbar können Filter und Oszillator auch mit
einem 2. LFO moduliert werden. Wie beim Jupiter 8 wählt man per Schalter
ob diese Modulation auf VCF und/oder VCO wirken soll. Erfreulicherweise
wird der Nachteil des Schalters (harter Einsatz der Modulation) durch eine einstellbare
Verzögerungsfunktion wettgemacht. Bleibt die Frage, ob ein zweites Handrad
nicht die einfachere und bessere Lösung gewesen wäre!? Es macht sich
allerdings angenehm bemerkbar, daß zwei LFO's für getrennte Dauermodulation
und Spielexpressivität vorhanden sind. Diese Tatsache macht recht komplexe
Klänge möglich die weit über den normalen Arbeitsbereich eines
Polysynthys hinausgehen.
Ungewöhnlich umfangreich für ein Gerät
japanischer Herkunft sind auch die Modulationsvernetzungen beim Jupiter 6. Die
VCO - Synchronisation kann bidirektional vorgenommen werden, also entweder synchronisiert
VCO1 den VCO2 oder umgekehrt. Wie auch schon beim "großen Bruder " Jupiter
8, kann VCO1 von VCO2 moduliert werden, was glockenartige, metallische, gläserne,
sowie völlig chaotische Klangstrukturen ermöglicht. Bei dieser Art
der Modulation wird der Eingangs erwähnte große Frequenzbereich
des VCO2, auch außerhalb des Hörbereichs, interessant. Die Frequenz
der VCO's kann getrennt von LFO-1 und einem Hüllkurvengenerator beeinflußt
werden, die Pulsweite desgleichen, diese aber auch noch zusätzlich manuell.
Zur Steuerung der Filter dienen die Hüllkurven, normal und invertiert und
der LFO. Genauso verhält sich die Steuerung des VCA.
Der zweite, größere
Bereich beinhaltet die Programmierlogik, Split-Keyboard-Auswahl, einen Arpeggiator
sowie die Portamento/Glissando - Effekte.
Die Portamento / Glissando - Einheit ist eine
weitere nette Idee der Roland-Techniker, die den Jupiter 6 sogar über den
großen Bruder erhebt. Die musikalische Unterscheidung zwischen dem Portamento,
einem stufenlosen Tonhöhenübergang, wie etwas bei einer Posaune möglich,
und dem Glissando, einer Tonhöhenänderung in Halbtonschritten, gut
zu hören beim Klarinettenintro der "Rhapsody In Blue" von George
Gershwin, wurde hier konsequent für den Synthesizer realisiert. Die Anstiegsverzögerung
beider Effekte ist ausreichend regelbar.
Der Arpeggiator braucht
wohl an dieser Stelle nicht näher beschrieben zu werden, derartige Spielereien
sind ja selbst von Kleinstsynthesizern her bekannt. Vermerkt werden muß
dazu nur, daß der Laufumfang "UP" und/oder "DOWN" zwischen einer und vier
Oktaven gewählt werden kann, und das zur Temporegelung eine separate Clock
zur Verfügung steht was die LFO's entlastet.
Die Tastaturlogik ermöglicht
insgesamt 5 Keyboard-Modes. Darüber hinaus lassen sich die sechs Stimmen
in 2 Aufteilungen auf den oberen und unteren Tastaturbereich legen. Der Split-Punkt
ist allerdings festgelegt. Es ist etwas schwer zu erklären, im Einzelnen
sieht das wie folgt aus: Die Tastatur soll vorerst nicht geteilt sein und wir
wählen Keyboardmode POLY-1 oder POLY-2: Für jede gedrückte Taste
wird jetzt eine der Synthesizerstimmen aktiviert. POLY-2 eignet sich dabei besser
für Klänge mit längerer Ausklingzeit. Schalten wir jetzt auf
UNISON um werden alle 6 Stimmen beim Drücken einer Taste in Gang gesetzt,
bei 2 gedrückten Tasten wird in 3 und 3 Stimmen aufgeteilt usw. Man kann
so von "voller Power" für Solis bis zum sechsstimmigen Akkord alles
in einer Betriebsart verwirklichen. Im Modus SOLO arbeitet das Instrument mit
einer Stimme wie ein monophoner Synthesizer mit "last-note-priority". Desgleichen
wenn SOLO und UNISON zusammen eingesetzt werden, nur daß dann alle 6 Stimmen
zusammen den Klang bilden. Sehr gut ist dabei der Umstand, daß sofern
UNISON allein oder mit SOLO in Betrieb ist, die einzelnen Stimmen gegeneinander
verstimmbar sind. Damit wird ein Choruseffekt nicht nur überflüssig
sondern haushoch übertrumpft. Sämtliche Keyboard - Modes behalten
auch dann ihre Wirkung wenn die Tastatur gesplittet wird. Das ist in zwei wegen
möglich: Entweder werden die 6 Stimmen im Verhältnis 4:2 aufgeteilt
oder umgekehrt, eine 3:3-Teilung wäre allerdings auch nicht "falsch" gewesen.
Nützlich ist die Möglichkeit auf einer Tastatur 2 Klänge spielen
zu können allemal zumal der 5 - Oktaven Umfang einen nicht allzusehr einschränkt.
Das Lautstärkenverhältnis beider Kanäle kann beliebig ausbalanciert
werden.
Last, but not least - dieProgrammiersektion
des Jupiter 6: Außer dem Speicherinhalt der zur Ablage von 48 Klangprogrammen
dient, existiert noch die Möglichkeit 4 Bänke mit jeweils 8 sogenannten
Preset-Patches zu programmieren. Im Rahmen der Preset-Patches können nicht
nur die üblichen Klangeinstellungen, sondern auch alle Einstellungen in
Verbindung mit der Keyboardmode, Betriebsart, Arpeggiatoreinstellungen und Portamento/Glissando
abgespeichert werden. Da die Register einer Bank mittels Fußschalter weitergeschaltet
werden können, ist es ohne Probleme möglich sehr komplexe Musikstücke
bei Liveauftritten vorzubereiten ohne später hektisch Programme und anderes
umschalten zu müssen. Soundprogramme und/oder Patch-Presets können
auf Kassette abgelegt werden.
Fazit:
Das anfängliche Mißtrauen gegenüber
den vielen Leuchtdioden erwies sich im Laufe des Tests ebenfalls als unbegründet.
Es gibt keine überflüssigen Showeffekte und dank der gelungenen Programmierung
ist es ohne Schwierigkeiten möglich während des Spiels in die Sounds
einzugreifen. Alles in Allem stellt der Jupiter 6 ein leistungsfähiges
Instrument dar, das in manchen Einzelheiten sogar dem Jupiter 8 überlegen
ist. Die Bedienelemente sind, wie bei Roland üblich, sehr übersichtlich,
die Spielmöglichkeiten, wie zu erfahren war sehr umfangreich. Die klangliche
Bandbreite schließt volle orchestrale Sounds ebenso ein, wie Klänge
die man sonst eher von Computersystemen erwarten würde. Der Gesamteindruck
war, von rolandtypischen, gelegentlichen Baßschwächen abgesehen so
gut, daß man außer einer Hall / Echobearbeitung eigentlich nichts
weiter braucht.
Nach soviel Lob und einem prima Preis-Leistungsverhältnis
soll der absolut unmögliche Netzstecker nicht unerwähnt bleiben. Dieser
ist irgendwie jenseits jeder Norm hergestellt worden und beim Verlust desselben
wird man auf seinen Jupi verzichten müssen bis ein neuer Stecker aus Japan
eintrifft !
Ladenpreis 1984 ca.
6350 .- DM