Bemerkungen zur
Internationalen
Musikmesse
Frankfurt 1983
Vorwort: Dieser Text fiel mir kürzlich wieder in die Hände und so wie er im Frühjahr 1983 aufeschrieben wurde, veröffentliche ich ihn hier auch. Er gibt einen kleine Einblick in die derzeitige Geräte-Entwicklung. |
Man könnte diese Messe als "Aufstand
der Kleinen" oder "Triumph der Einzelgänger" zusammenfassend
bewerten, als Zyniker vielleicht auch als Nebenstelle der Nürnberger
Spielwarenmesse bezeichnen.
Der Markt wurde wieder mit neuen polyphonen Synthesizern beglückt, die
nur zum Teil wirkliche Neuheiten boten. Die Amerikaner liefern dabei altgewohnte
Spitzenqualität zu ebenso altgewohnten Spitzenpreisen ab. Ob Oberheim
OB-X, Sequential-Circuits Prophets oder der relativ neue Memory-Moog, es sind
nach wie vor die "Schlachtschiffe", dessen Soundqualitäten
auch dem abgeklärten Profi immer aufs Neue das Wasser in die Augen treiben.
Feucht werden die Augen allerdings auch, wenn man sich mal bescheiden nach
den Preisen dieser Geräte erkundigt.
Bei den Renommiermöbeln der japanischen Konkurrenz ist das nicht viel
anders, auch ein Roland Jupiter-8 oder der von Korg überarbeitete Trident
Mk-II wollen bezahlt sein. Selbst bei diesen hochkarätigen "Soundwundern"
ist ein Tastenmensch in der Regel besser bedient als der, den man im Neu-Deutsch
"Synthesist" nennt und der sich mehr als Klangforscher als als Tastenakrobat
versteht. Synthesizer im eigentlichen, moogschen Sinne sind diese "Keyboards"
dann auch nicht mehr unbedingt.
Einzige, leider leicht zu übersehende Ausnahme, ist da noch der "Syntex"
von der "Orgel-Firma" Elka. Die Konzeption steht im Gegensatz zur
gesamten Konkurrenz und ist bemerkenswert ausgereift. Ein Gerät, das
mit einer wahrhaft üppigen Ausstattung und teuflisch gutem Klang wahrlich
mehr Beachtung verdient, zumal diese Ausgereiftheit nicht zusätzlich
wegen des Namens Elka bezahlt werden muss. Eher im Gegenteil ist der Verkaufspreis
mit ca.7500 DM recht günstig, gemessen wenn man mal genau guckt, was
das gute Stück zu leisten in der Lage ist. (Ein ausführlicher Testbericht
folgt)
Auch bei den Polyphonen der niedrigeren Preisklassen ist der Markt durch die
japanischen Branchenriesen weiter gefüllt worden.
Roland wartet mit einer programmierbaren Version des Juno-6, dem Juno-60 auf,
zeigt eine breitenwirksamere Ausgabe des Jupiter-8, den Jupiter-6, beide 6-stimmig
und voll programmierbar, sowie den JX-3P, einen Preset-Synthy, der mit einer
zusätzlichen Einheit (PG-200) ebenfalls zum programmierbaren Poly wird.
Korg präsentiert parallel zum bekannten Poly-Six den Poly-61, dessen,
dem Moog-Source ähnliche Programmierung allerdings etwas gewöhnungsbedürftig
ist. Von Teisco folgt dem SX-400 der SX-210. Nebenbei bieten auch Oberheim
und Sequential-Circuits abgespeckte Versionen ihrer Prunkstücke an um
den Japanern dieses Preissegment nicht allein zu überlassen.
Allgemein ist zu dem Klang der "Polykisten" zu sagen, dass man besser
daran tut, sofern überhaupt noch möglich, den Chorus-Effect nicht(!)
abzuschalten, was natürlich dazu führen kann, dass einem der Grundklang
der Geräte kurz über lang zu den Ohren heraus hängt.
Statt Unmengen von Leuchtdioden (die natürlich schick aussehen!), Chorus
und den fast allgegenwärtigen Sequenzern und Appeggiatoren, einen zweiten
ADSR oder einen Hochpass - VCF einzubauen, würde es mehr Sinn machen,
dieses Geld in nützliche Technik zu stecken denn es gibt sicher auch
noch ernsthafte "Synthyfritzen", die sich nicht von LED-Orgien und
Appeggiogeleier ihre musikalische Zukunft versprechen - ich meine die Leute,
die kreativ werden wollen statt sich von flackernden Klangbreimaschinen Automaten-Musik
vorspielen zu lassen um ihr Techno-Trauma abzureagieren.
Auf dem Gebiet der Computer-Synthese war dieses Jahr äußerste Ruhe
zu vermelden - Schweigen im Walde - nur durch gelegentliche Vorführungen
des PPG Wavecomputers 2.2 unterbrochen. Für Heimcomputerbesitzer bietet
die Roland-Tochter Amdek Synthy-Voices, Steuersoftware, Plotter usw. an. Sollte
man stolzer Besitzer eines Apple II sein, kann man sich des Alpha-Syntauri
Systems bedienen. Die beiden Systeme konnten aber teils wegen des kläglichen
Klanges, teils durch mangelnde Lust des Vorführenden, nicht die rechte
Überzeugungskraft entwickeln.
In dem, seit Abtritt des Mini-Moogs nicht mehr so populären Bereich der
monophonen Synthesizer, gab es neben dem, nach wie vor beachtenswerten Korg
Mono-Poly, dem gewöhnungsbedürftigem Moog-Source und dem Pro-One
von Sequential Circuits eine Neuheit der Firma Crumar, den Crumar-Spirit.
Dies ist eine Moog-Entwicklung für den weniger betuchten Einsteiger,
und verspricht unter anderem mit zwei hervorragenden Filtern und umfangreichen
Modulationsmöglichkeiten lange Freude am Spielen. (obwohl eine Programmiereinheit
fehlt)
Besonderes Interesse fanden dieses Jahr elektronische Drum-Kits, bisher eng mit dem Namen Simmons verknüpft, einer Firma die das Synonym für den "Bumms aus der Steckdose" war. Doch die fünfeckigen Wunderkacheln haben ernste Konkurrenz aus Luxemburg bekommen. Die kleine Firma BME, bisher als Hersteller anspruchsvoller, zugleich aber preisgünstiger Modularsynthesizer bekannt, präsentierte ihr Drum-System Rattlesnake. Dies besteht aus einer Basiseinheit mit 128 Festrhythmen, 10 klangveränderlichen Instrumenten, einer Programmiereinheit für Klang- und Lautstärkendynamische Eigenprogrammierung und einem Drumset auf der Basis eines Remo-Übungsschlagzeugs. So ausgestattet können die 10 Instrumente der Basiseinheit, ebenfalls Lautstärkendynamisch gespielt werden und das wahlweise solo oder auch zusätzlich zu dem Rhythmusgerät. Ein Anschluss von Heimcomputern zur Steuerung ist ebenfalls möglich. Da Rattlesnake-System sowohl als Rhythmuscomputer, wie auch als Übungs-(z.B. über Kopfhörer) wie als Live-Drum-Set einsetzbar ist und sehr günstig angeboten wird, und selbst von Profis auf der Messe bezüglich Spielgefühl und Klangqualität sehr positiv bewertet wurde, könnte es schnelle Verbreitung finden. (Zumal es sich preislich deutlich gegenüber Simmons und qualitativ gegenüber den Spielzeug-Kits verschiedener anderer Hersteller absetzt)
Im Laufe des Artikels dürfte deutlich geworden
sein, dass nicht Konzerne oder große Namen notwendig sind, um hochwertige
Musikinstrumente zu entwickeln. An die Adresse der Musiker sei jedoch die Aufforderung
gerichtet, durch entsprechendes Kaufverhalten, Hersteller zur Modellpflege statt
zur Geräteinflation, und zu ausgereifteren Konzeptionen statt LED-Feuer
zu drängen. Es liegt auch an Euch - es gibt viel zu tun: Tasten wir' an!
(1983, CYBORG-SYNTHESIS Berlin)