CYBORG - SYNTHESIS
die Story vom "Planet Spandau"
Als
Anfang der 70 ziger Jahre immer öfter ungewöhnliche neue Klänge
aus den Musiktruhen und Stereoanlagen deutscher Wohnzimmer drangen, wunderten
sich vielleicht manche - andere schimpften nur über das "nervtötende
Gequietsche". Doch gab es schon eine ganze Reihe "Verrückter" wie auch mich,
die sofort von diesen neuen Sounds, die man bis dahin mit keinem gewöhnlichen"
Musikinstrument entlocken konnte, fasziniert waren. Ich spielte damals in
einer Band als Drummer, "Westcoast-Rock" und Blues waren mein "Ding".
Wir hatten einen tollen Übungsraum in Berlin-Kreuzberg, in der Wrangel-Kaserne
um genau zu sein. Dort übten bestimmt ein Dutzend verschiedener Gruppen mit
total verschiedenen Stilrichtungen und natürlich stiegen von Zeit zu Zeit
auch fetzige Feten zu denen wir allerdings ein Instrumenten - Verbot verhängten
damit es nicht wieder "nur" nächtelange SESSIONS gab und auch unsere Freunde
und Freundinnen außerhalb der Musikszene ihren Spaß haben konnten.
Doch eines Tages geschah es dann, das Schicksal endete die Karriere eines emporstrebenden
Drummers mit den, im lieblichsten Berliner Dialekt gesprochenen Worten:
"Ey, Du - Haste schon jehört? Die da oben im
oberen Stock, die haben so´n Süntisiza oder wie det Ding heeßt,
haste Bock? Dann jeh´n wa ma´ hoch und kiek´n uns det
Teil an !?"
DAS war der "schicksalhafte" Satz.
Ich also hoch und das Teil angeglotzt, als wär's von einem anderen Stern.
.... O.k., ich hab so etwas schon mal gesehen, bei Pink Floyd, oder so,
aber davorstehen ?!! Der Organist der Truppe (Keyborder nannte man die damals
nicht), entlockte nach längeren Fummeleien "Zauberkiste" einen
flötenähnlichen Ton- Boaahh ! Für mich stand sofort fest: So ein
Teil müßte ich auch haben, also fragte ich :
"He, wat hast´n abjedrückt für det Ding?" - "Naja, ick hab's aus
der Schweiz, da kenn' ick wen der den aus den Staaten jeholt hat, 8000 Mark ha´ick
abjedrückt. Aber dafür ist es ein echter MINI-MOOG und woanders jibts
den noch janich"
Oha, das war ein harter Schlag 8000.- Steine? Unmöglich!!
Ich zahlte ja noch immer die Raten für meine Rogers-Drums ab, dazu dann noch
die Miete der Altbauwohnung in Kreuzberg, Eierkohlen zum Heizen, die Freundin,
mit der ich zusammen wohnte und die noch in der Ausbildung war - und, und,
und. (Seufz)
Aber weiter im Text: Es ergab sich einige Jahre später,
ich war gerade stolzer Besitzer des Basisgerätes vom Roland
Studiosystem 100 geworden, da las ich in der Zeitung eine Annonce:
"..Synthesizer Enthusiast sucht Gleichgesinnte..".
Fünf Berliner "Synthy - Enthusiasten" trafen also einige Tage darauf
in einer Kneipe zusammen und redeten sich bei kühlem Bier in der "Kastanie"
die Köpfe heiß. Fazit: Man wird sich bei mir treffen, jeder bringt
sein Instrumentarium mit - dann wird man weitersehen. Hihi, man sollte das als
Film sehen können: Mein Zimmer, Flokati-Teppich am Boden (Klaus Schulze
hat´s von uns kopiert), Weltraumwandbild an der Wand (wo sonst?),
ein enormes Holzgestell, das meine Basic Unit 101 verbarg (sollte aber ausgebaut
werden), einen recht maroden Neckermann - "State - Of - The - Art" Verstärker.
Ach ja und das 4 Kanal-Mixer Modul (103) ebenfalls vom Studiosystem 100. Unser
"Recording - Equipment": bestand aus einem Cassettenrecorder, später kam
eine Revox A700 dazu und manchmal brachte Klaus seine 4-Kanal- Maschine mit.
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Roland System 100 |
Norbert
Lutz |
OBI-Wahn |
Klaus |
Unser Logo |
Und dann kamen die Leute: Norbert Brauer, Student
der E-Technik mit einem echten Mini - Moog (inzwischen
für ca. 3500.-DM im Handel), der Taxi - Klaus, Klaus
Eitzen, mit einem Riesenkasten von
Modularem System von PPG, noch ein Klaus, Klaus
Schönberg mit einem Solina - String
und last but not least "Uns Henry", Henry Trapp
mit einem Micro-Moog und einem Hohner-String. Nachdem
endlich jeder eine Steckdose hatte und durch absolut unseriöse aber hilfreiche
Maßnamen alle 6 Geräte an die 4 vorhandenen Kanäle angeschlossen
waren, konnte es eigentlich losgehen.. Und das tat es dann auch: Einige Tracks
dieser ersten Tage sind inzwischen zusammen mit anderen auf einer Doppel CD
verewigt. Aus diesen Anfängen kristallisierte sich im Lauf der Zeit eine
3-Mann Besetzung heraus: Da waren also der Taxi - Klaus mit einem Hang zum esoterischen
und "problematischem", (sprich: PPG Geräte aller Art), Norbert mit
seinem Leitsatz : " rummsen muß es..", was seine Vorliebe zu amerikanischen
Mördersynthis beschreibt, (Mini-Moog, Oberheim 4-Voice
polyphonic), und mir mit inzwischen 2 kompletten Studiosystem 100 - Sets,
Sequenzern und diversen wechselnden anderen Geräten, die ich mir, dank
meines Jobs in Peter Jahnels Music-Shop leisten bzw. auch mal ausleihen konnte.
Unser Projekt nannten wir CYBORG-SYNTHESIS
weil wir fanden, dass wir mit unserer Musik
eine Verbindung zwischen Maschinen und Menschen schaffen würden. (in Anlehnung
an Kybernetischer Organismus)
Eines Tages wurden wir von einem Gast auf die Idee gebracht, unser inzwischen
erworbenes Wissen über Synthesizer, Klangsynthesen und des ganzen
Kram mal als Kurs anzubieten: Und genau das taten wir dann auch:
Von 1979 bis 1984 veranstalteten wir in unserem Kellerstudio
im "Planet Spandau" 15-stündige Synthesizerkurse in Theorie und Praxis,
mit Kursbegleitmaterial, Livevorführungen, Dias, Apple II, dummen Sprüchen,
Free Lollies (!) und allem was sonst noch zu einem multimedialen Programm dazugehört.
Nach einigen Monaten lief der Laden prima und wir verdienten einiges dazu um
so unsere Ausrüstung erweitern zu können.
Es dauerte nicht lange und wir bekamen noch die große
Ehre, beim Sender Freies Berlin (SFB) in einer Sendung über elektronische
Musik mitzuarbeiten. Wolfgang Layer hatte sich die "STECKDOSE"
Untertitel: "Computermusik-Musikcomputer" erdacht
und brauchte natürlich Material én masse. Wir sind von Firmeneinflüssen
immer unabhängig geblieben, also mußten wir einigen Versuchungen
widerstehen, Geräte der einen oder anderen Firma gegen "Belohnung" in unseren
Kursen oder der Sendung besonders zu empfehlen. Aber gerade wegen der Unbestechlichkeit
galten unsere Testberichte in der Steckdose oft mehr als die, einiger Musikzeitschriften.
Natürlich hat uns die Sache auch einen Riesen-Spaß gemacht und die
Testgeräte waren ja auch eine Zeit lang in unserem Keller! (grins) Einmal
war jedoch ein Test für ein Gerät so gut ausgefallen - und das zu
Recht (!), daß die Vertriebsfirma des ELKA - Synthex einen Mitschnitt
der STECKDOSE als Demoband an Kaufinteressenten weitergab.
Später schrieb ich dann noch Tests und Beiträge
für einige Fachmagazine und das Magazin des IME (Informationskreis Musikelektronik,
auch AME). Nachdem die Ära der analogen Synthesizer jäh durch
die Verbreitung von programmierbaren polyphonen Geräten beendet wurde,
stellten wir die Kurse und andere Aktivitäten ein, trafen uns nur noch
manchmal zum Musik machen.
Viel Zeit ist seitdem vergangen und
seit einigen Jahren stehen nun diese Seiten hier für die Liebhaber der
analogen Klangverbiegerei im Internet. Auch privat hat sich in den Jahren natürlich
viel verändert. Ich wohne seit 1985 nicht mehr in Berlin sondern in einem
kleinen Bayerischen Dorf, der Taxi-Klaus (Klaus Eitzen) kam noch etliche Male
zu Besuch und blieb dann plötzlich komplett verschollen. Ich habe ihn nicht
mehr erreicht (wer ihn kennt, möge mir bitte näheres per Mail mitteilen).
Norbert ist inzwischen zum Nordlicht geworden, wohnt in der Nähe von Bremen
und arbeitet als Astronautentrainer derzeit in Köln. Tja und erst jetzt
erfuhr ich, daß auch er das Musik machen aufgegeben hat. Da bin dann nur
noch ich von den Cyborg-Projekten übrig geblieben! Zum Musik machen komme
ich nicht mehr so oft, hier frißt mein Job, das Computer-Hobby und der
Garten jede Menge Zeit und auch wenn es mir hier auf dem Land wirklich gut gefällt,
fehlen mir einfach Gleichgesinnte Leute mit denen man mal was ausprobieren könnte.
In einer Hinsicht bin ich aber stur,
Platz habe ich in meinem Cyborg-Studio genug und ich versuche noch immer, wieder
an ein größeres Modularsystem zu kommen. Musik ernsthaft produzieren
will ich nicht, ich möchte mich nur ransetzen können wann immer ich
mag und möchte Spaß daran haben können, Klänge zu erzeugen,
zu arrangieren...einfach abheben.
Achja, ich bin Lutz, der letzte "CYBORGIANER" sozusagen.