CYBORGS  Synthesizerwissen
Kompakt
Teil 2: Synthesizer, die Bauformen, das System
und elektrophysikalische Grundlagen

 CYBORG SYNTHESIS  ©     (AUSGABE 1982-2002)
Die kommerzielle Nutzung der vorliegenden Texte, auch auszugsweise, bedarf
    der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Ich berufe mich auf das Urheberrecht.
   (Gerichtsstand Dillingen/Donau)
Erklärende Klangbeispiele, zusätzliche und bessere Abbildungen, Patches, Querverweise,
historisches u.v.a. gibt es aus Platzgründen nur auf der Kurs-CD!

Synthesizer - Bauformen

         Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die weiter oben aufgeführten Module zu einem Synthesizer zusammenzubauen. Nachdem einige Begriffe bereits geklärt sein dürften, möchte ich die verschiedenen Bauformen beschreiben denn es gibt eine große Zahl denkbarer Kombinationen. Im Handel findet man monophone (einstimmige), polyphone (mehrstimmige),  programmierbare und nicht-programmierbare, analoge, digitale, modulare, vorverkabelte halboffene Systeme, Stagesynthesizer, Expandereinheiten und und... Zur Übersicht hier die Grundtypen unabhängig davon, ob diese monophon oder polyphon sind:

MODULARSYSTEME
        Dinosaurier und Klassiker zugleich. Jedes Modul  hat eine eigene Frontplatte und eigene, von anderen Modulen unabhängige Elektronik, Regler, Ein- und Ausgänge usw. Bis auf die Betriebsspannung werden alle zur Klangsynthese notwendigen Verbindungen mit den sogenannten PATCHCORDS vorgenommen.
       Der große Vorteil solcher Systeme ist die völlig offene Struktur. Jeder Klang, jede noch so „abwegige" Einstellung kann genutzt werden. Nachteilig ist der relativ hohe Zeitaufwand beim Umstecken der Patchcords. Aus diesen Gründen findet man  MODULSYSTEME meist nur in Studios. Zu den weit verbreiteten Vertretern dieser „Spezies" gehören Geräte der Firmen MOOG, POLYFUSION, EMS und EMU (gesprochen: E-mü). Nebenbei bemerkt ist ein anderer Nachteil der recht hohe Preis für wirklich gute Systeme. Die erforderliche Präzision ist nicht ohne erheblichen Aufwand zu erreichen. Halbe Sachen und Sparen am falschen Platz ist kein Weg, wer würde sich schon einen Porsche kaufen und ihm dann nur Holzräder verpassen ? Angeboten werden „Billigheimer" schon lange, aber dabei ist die Masse wichtiger als Klasse.
FINGER WEG VOM BILLIGZEUG - SONST LAUERT DER FRUST


Roland System 700


STAGESYNTHESIZER (vollverkabelt)
         Der Hinweis „vollverkabelt" erklärt schon vieles. Alle Baugruppen sind hinter einer gemeinsamen Frontplatte 
untergebracht. Diese werden vom Hersteller mit den wichtigsten Verbindungen, von denen einige zumeist nur noch abschaltbar oder umschaltbar sind, versehen. Erweiterungen und Veränderungen sind ohne Lötkolben nicht mehr zu machen und die Klangvielfalt ist zugunsten der schnellen Bedienbarkeit stark eingeschränkt. Sozusagen ein FASTFOOD-SYNTHY. Der unumstrittene Vorteil ist der schnelle Klangaufbau und die damit verbundene Möglichkeit diese Geräte live auf Bühnen einzusetzen. Heutzutage gibt es praktisch kaum noch Stagesynthesizer ohne die Möglichkeit der Klangprogrammierung. Nahezu ein klassisches Beispiel für diese Art ist der Minimoog.
 
 

 Halboffene Systeme  (teilverkabelt)
           Bei diesem Typ - im Bild Nr.9 der ARP 2600 - handelt es sich eigentlich um einen Stagesynthesizer, bei dem es möglich ist durch zusätzliche Patchcord - Verbindungen die intern vorgegebenen Vernetzungen zu ergänzen oder zu ersetzen. Möglich ist dies durch die Verwendung von Schaltbuchsen, die dann die interne Vorverkabelung individuell auftrennen. Das Aussehen einiger Vertreter dieser Gattung täu-schen Modularsysteme vor, mit denen sie jedoch nicht konkurrieren können. Bekannte Geräte:  KORG: MS-SERIE (nicht mit anderen kombinierbar),  ROLAND: Studiosystem 100 und System 100 M,  ARP: 2600,  EMS: Synthy A und andere.. Diese Geräte sind bis heute stark nachgefragt und teilweise als Gebrauchtgeräte erheblich teurer als sie es jemals als Neugeräte waren. Dies liegt daran, daß sie einen recht brauchbaren Kompromiß zwischen schneller Bedienung und Klangvielfalt darstellen.

Roland System 100......Original ...und nach dem Umbau  ;-)


Elektrophysikalische Grundlagen
      Schon die Überschrift verursacht vielleicht dem einen oder anderen Leser Brechreiz - aber nur ruhig Blut, so schlimm wird es gar nicht. Bevor man mit der Elektronik umgeht, sollte man zumindest die wesentlichen Begriffe der Elektrotech-nik kennen. Durch deren Verständnis kann man sich später dann auch das eine - oder andere selbst basteln oder neue Ideen entwickeln. Wer sich mit Vokabeln wie Spannung, Strom und Widerstand bereits auskennt, darf getrost dieses Kapitel überschlagen.

Die elektrische Spannung
        Was ist das Wesen einer Spannung?  Versuchen wir eine ganz simple Erklärung:  Wasser, auf den Boden gegossen, verteilt sich so weit wie möglich über den neuen Teppichboden. „Harte Luft" entweicht so lange zischend aus dem Fahrradreifen bis der Innendruck des Reifens dem Druck der Außenluft entspricht (der Kenner spricht vom Scheiß-Platten) und Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln neigen dazu, sich erst einmal im ganzen Wagen gleichmäßig zu verteilen bevor die ersten Sitzbänke mehrfach besetzt werden (auweia, wat´n Beispiel!?). Kurz gesagt: Alles drängt zur Verteilung, zum Ausgleich. In der Physik spricht man von dem Drang, in einen möglichst energiearmen Zustand zu kommen. Den Elektronen, den Trägern der elektrischen Ladung, geht es da auch nicht anders. Die Ähnlichkeiten eines hydraulischen und eines elektrischen Systems zeigt diese Abbildung.

        Die Pumpe im Wasserkreislauf und die Batterie im elektrischen Kreis erfüllen die gleiche Aufgabe, nämlich die, den Druck. bzw. Ladungsunterschied aufrecht zu erhalten. Sie tun dies indem sie auf der einen Seite Wasser / Ladungsträger entfernen um sie auf der anderen anzuhäufen. wie schon genannt, heißt dieser Unterschied im dargestellten hydraulischen Kreis Druck. Im elektrischen Kreis bezeichnet man das als Spannung. Die Maßeinheit für die elektrische Spannung ist das Volt [V].

Der elektrische Strom
     Gibt man der Spannung eine Möglichkeit zum Ausgleich, beginnt ein Ausgleichsstrom zu fließen. Den elektrischen Strom mißt man in Ampere [A]. Mit etwas Phantasie entdeckt man schnell die Beziehungen zwischen Strom und Spannung: Je größer der Ladungsunterschied, die Spannung ist, desto stärker wird auch der Ausgleichsstrom sein wenn man ihn ungehindert fließen läßt.

Der elektrische Widerstand
    Damit es jedoch keinen, im wahrsten Sinne des Wortes, „blitzartigen" Ausgleich der Ladungen durch einen ungehinderten Ausgleichstrom kommen kann, fügt man in den elektrischen Kreis Widerstände ein, die dann den Strom genau dosierbar begrenzen. Die einfachsten Widerstände sind die sogenannten Ohmschen Widerstände. Andere Widerstände tun mehr als nur Strom begrenzen und als Nebeneffekt dabei sich selbst und ihre Umgebung zu erwärmen, sie beleuchten zum Beispiel die Wohnung oder bewegen Maschinen (Glühlampen, Motoren), alles das sind im elektrischen Kreis Widerstände. Die Maßeinheit ist, wie sollte anders sein, das Ohm (Zeichen nicht darstellbar)

   Zusammengefaßt:
                SPANNUNG =  Volt,     
 STROM =  Ampere,   WIDERSTAND =  Ohm

      Mit Hilfe von einigen Händen voll aktiver elektronischer Bauelemente wie Transistoren, Dioden, integrierten Schaltkreisen und anderen Bauteilen wie Widerständen, Kondensatoren usw. kann man schon einen Synthesizer bauen. Wie im Kapitel über die Synthesizer - Idee schon verraten, wählte man als einheitliche Größe für die Tonerzeugung und Steuerung in Synthesizer-Modulen die elektrische Spannung aus. Es gibt (oder gab) zwar am deutschen Markt einmal einen Anbieter, der angeblich stromgesteuerte Baugruppen anbot, ein eher schlechter Gag und der krampfhafte Versuch, minderwertige Technik mit Werbesprüchen zu verhökern!  Beenden wir nun endgültig das physikalische Vorgeplänkel und widmen uns nun dem Objekt unserer Begierde. Mit welchen Spannungen arbeitet nun ein Synthesizer?

Die Betriebsspannung
     Ohne sie läuft natürlich weniger als gar nichts. Die Betriebsspannung ist sozusagen das Futter für die Elektronik und muß in ihrer Höhe absolut stabil sein. Sie darf sich auch bei schwankenden Umwelteinflüssen wie Temperatur- oder Netzspannungsschwankungen nicht verändern. Auch bei modular aufgebauten Synthesizern wird diese vom Hersteller intern vorverdrahtet. Da wir darauf keinen Einfluß nehmen wollen und können, brauchen wir uns mit ihr nicht weiter zu beschäftigen..

Die Signalspannung   (Signal Voltage = SV)
        Signalspannungen sind Wechselspannungen mit Frequenzen im tonfrequen-ten Bereich. Sie werden nach der Umwandlung in mechanische Schwingungen in einem Kopfhörer oder Lautsprecher hörbar, dazu müssen sie jedoch normalerweise verstärkt werden. Synthesisten und Elektronikmusiker jedweder Art haben verabredet, als Signalspannungen (SV) nur solche Spannungen zu benennen, die auch tatsächlich hörbar gemacht werden sollen. Die Höhe der Amplituden beträgt 10 Volt - so will es das System! (*)

Die Steuerspannung  (Control Voltage  = CV)
        Steuerspannungen dienen, wie es der Name unschwer erraten läßt, zur Kontrolle verschiedenster Funktionen der Synthesizermodule. Ihre Größe bewegt sich in einem Bereich von 0 bis 10 Volt. (*) Es können sowohl Gleich- wie auch Wechselspannungen verwendet werden. Wird eine „Signalspannung" als Steuerung eingesetzt, wird aus ihr automatisch eine CV - soweit die Verabredung!  Steuerspannungen steuern meist sehr empfindliche Vorgänge, wie zum Beispiel die Tonhöhe. Daher kommt es auf allergrößte Präzision an. Einige Hundertstel Volt Abweichung und schon klingt es nur noch nach Katzenmusik.

Trigger / Gate - Spannungen  (TRIG / GATE)
        Einige Module in einem Synthesizersystem lassen zuvor eingestellte Steuerspannungsverläufe ablaufen wenn sie dazu einen Startimpuls bekommen. Ein Trigger ist eine na-delförmige Spannungsspitze die nur kurzzeitig das Spannungsmaximum erreicht. Üblich ist eine Impulsdauer von nur etwa 50 ms (Millisekunden).  Beim Gate ist die Impulsdauer variabel. (z.B. Länge des Tastendrucks) Die Spannung weist eine Höhe von 5 - 10 Volt auf. (*)

(*) Einige Hersteller halten sich aus offenbar firmenpolitischen Gründen nicht an Verabredungen. So scheitert der Versuch,  Geräte von KORG oder YAMAHA in ein „normales" Synthesizersystem zu integrieren..


Das Synthesizer-System
     Die Abbildung  zeigt ein Blockdiagramm, also eine Übersichtszeichnung. Sie verdeutlicht, welche Arten von Baugruppen eine Klangsynthese benötigt ,also alles, was ein vollwertiger Synthesizer haben muß.

         Vielleicht sind schon einige Synthesizerbaugruppen der folgenden Liste vom Namen her bekannt !? Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm, schließlich ist das mein Job, die Dinger zu beschreiben: Die verschiedenen Baugruppen, ich nenne sie fortan auch  MODULE, werden wie folgt eingeteilt:
 

Signalerzeuger
 Klangbearbeitung
Amplitudenbearbeitung
Steuerelemente
VCO VCF-Tiefpass VCA Envelope-Generator
NOISE VCF-Hochpass (Ringmodulator) (Ringmodulator)
Externe Quellen * VCF-Bandpass Mixer (passiv) Sequenzer
. VCF-Bandsperre Vorverstärker (passiv) CV-Prozessor
. Resonanzfilter . Sample&Hold
. (Ringmodulator) . LFO
. . . Tastatur
. . . Spielhilfen und
. . . Externe Quellen *
 *EXTERNE QUELLEN
    Externe Signalquellen können z.B. Mikrophone, E-Gitarren, Orgeln oder ähnliches sein. Damit diese Signale im Synthesizersystem verarbeitet werden können , müssen sie durch einen Vorverstärker auf einen genügend hohen Pegel , also auf mindestens 5 Volt, besser auf 10 Volt angehoben werden. Gemessen wird dabei der Spannungsunterschied zwischen den obersten und untersten Spitzen einer Wellenform. Angegeben wird diese Wechselspannung z.B. mit 8 Vpp, zu Deutsch: 8 Volt (peak-peak) - von Spitze zu Spitze.
    Externe Steuerelemente, also Steuerspannungsquellen können alle Gerätschaften sein, die Spannungen im Bereich von 0 bis 10 Volt (positiv oder negativ) abgeben können. Denkbar sind neben handelsüblichen RIBBON-CONTROLERN und DRUMPADS auch Fotozellen, druckempfindliche Halbleiter usw. Der Phantasie sind eigentlich kaum Grenzen gesetzt. In einem unserer Kurse zeigten wir, wie man einen Synthyklang mit der Spannung eines Fahrraddynamos, also durch heftiges treten steuern kann. (FITNESS und MUSIK - vielleicht zahlt´s die AOK ?)

Zusatzgeräte für Moog-Synthesizer. Leider fehlt die berühmte Trommel auf dem Bild.